Die Comburg Zur Übersicht Zur Fotoseite

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Wehrhafte Burg des Glaubens. Der Gebäudekomplex ist mehr Kloster, Kirche und Chorherrenstift als eine Burg. Indessen sind Kloster und Stift aus einer Burganlage entstanden. Angehörige der Familie der fränkischen Grafen von Rothenburg (später von Komburg), die den Kochergau beherrschten, bauten sich zu Beginn des 11. Jahrhunderts auf dem Berg südöstlich von Hall eine Burg. Sie gehörten damit zu den zahlreichen Familien, die ihre Sitze in oder bei Orten in der Ebene verließen und auf Höhenburgen zogen. Nur zwei oder drei Generationen lang – also erst kurz vor ihrem Aussterben – treten die Grafen von Comburg wirklich faßbar aus dem geschichtlichen Dunkel des an Urkunden nicht reichen 11. Jahrhunderts hervor, aber ihr Name und ihre Taten sind auch noch heute ein Begriff.

Die Urkunde, in der sie erstmals erwähnt werden, ist der >>Öhringer Stiftungsbrief<< von 1037. Durch ihn wissen wir, daß damals ein Burkhard von Comburg Graf des Kochergaus gewesen ist. Ihm wurde durch diese Urkunde die Vogtei über das gleichzeitig an Regensburg vergebene Stift Öhringen übertragen und als Entlohnung die Hälfte der Siedlung Hall zu Lehen gegeben. Die Grafen von Comburg waren eine angesehene und einflußreiche Familie und Blutsverwandte des regierenden Herrscherhauses der Salier. Graf Burkhard saß offenbar schon damals schon auf der Comburg. Von 1079 an verwandelte er die Burg, zunächst ohne Einverständnis seiner Brüder Heinrich, Rogger und Emehard, in ein Kloster. Es wird berichtet, daß Burkhard, dem der westliche Teil der Burg gehörte, jedesmal, wenn sein Bruder, der Kriegsmann Rogger, unterwegs war, ein Stück der großen Ritterburg zu einem Mönchskloster umbaute. Wie eine Prüfung der im Jahr 1948 wiederaufgefundenen Gebeine ergab, war Burkhard verwachsen und damit kriegsuntauglich. Er konnte an den kaiserlichen Heerzügen nicht teilnehmen und wandte sich dem geistlichen Leben zu. Schließlich trat er selbst in ein Kloster ein.

Der Vorgang, daß eine Hochadelsburg in ein Kloster umgewandelt wurde, ist im 11. Jahrhundert nicht selten. Allerdings ging dann in der Regel die Errichtung einer neuen Residenz voraus. Wenn also die Grafen von Comburg ihre namengebende Burg aufgaben und den Platz geistlichen Herren überantworteten, ist anzunehmen, daß sie einen mindestens gleichwertigen Hauptsitz fest in der Hand gehabt haben. Man zieht den Schluß, daß dieser Sitz Hall war, wo ja die Comburger durch den Vertrag von 1037 schon Herrenrechte besaßen.

Im Jahr 1116 starb als letzter seines Geschlechts im Alter von fünfzig Jahren Graf Heinrich von Comburg, Schirmvogt der von seiner Familie in ein Benediktinerkloster umgewandelten Burg. Die Klostervogtei fiel als Erbe an die Staufer und danach an die Bischöfe von Würzburg, in deren Diözese die Comburg lag. Das 12. Jahrhundert bildete unter dem Abt Hartwig die Blütezeit des Klosters. Er ließ die Kirche mit prachtvollen Kunstwerken ausstatten und gründete das Frauenkloster gegenüber auf der Kleincomburg. Über dreißig Jahre stand er dem Kloster als Abt vor. Doch der religiöse Schwung erlahmte nach seinem Tod. Nach einer Zeitspanne des Verfalls wurde das Kloster 1488 in ein weltliches adeliges Chorherrenstift umgewandelt. Die meisten Pröpste und Chorherren wurden vom Würzburger Bischof gestellt. In der Zeit der Gegenreformation um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde eine neue Blütezeit eingeleitet, die mit dem barocken Neubau der Stiftskirche um 1715 einen Höhepunkt fand. 1802 fiel das reichunmittelbare Chorherrenstift der Säkularisation zum Opfer. Von 1807 bis 1810 wurden Teile der Comburg, und zwar die Neue Dekanei, als Residenz für den jüngeren Sohn des Königs Friedrichs, den Prinzen Paul, zugeteilt. Sie war dann neunzig Jahre lang Sitz des Königlichen Ehreninvalidenkorps. 1926 wurde sie Heimvolksschule; und seit 1947 wirkt die Staatliche Akademie für Lehrerbildung in den Stiftsgebäuden.

Obwohl durch die Jahrhunderte hindurch die Bauwerke verändert oder neue hinzugefügt wurden, ist doch noch vieles vom ursprünglichen wehrhaften Charakter der Burg erhalten geblieben. Die ganze Burg ist von einer im 16. Jahrhundert von dem Abt Erasmus Neustetter angelegten 460 Meter langen Ringmauer mit Wehrgang umgeben. Ihr militärischer Wert war nie bedeutend, denn man hatte vergessen, Geschützstellungen einzubauen und zudem einige Schießscharten falsch angeordnet. So war es ein Glück, daß die Ringmauer nie einer Belastungsprobe ausgesetzt wurde.

Dagegen ist der Kunsthistorische Wert des Baues von höchster Bedeutung. Auch die Kunstschätze, die die Kirche birgt, zählen zu den Kostbarkeiten des Mittelalters. Schon das erste Burgtor – das von dem Kloster – und Stiftswappen gekrönt wird – ist in seiner barocken Ausgestaltung sehr eindrucksvoll.Das erste Burgtor Das zweite Tor ist vom Renaissancestil geprägt, aber mit den Außenwerken der alten Burg eng verbunden. Der dritte Torbau schließlich bildet den Sockel der ehrwürdigen Michaelskapelle. Neun zierliche Arkadenbögen lockern die Wand auf. In dem weiten, mehrfach gegliederten Hof ist der Besucher von aus verschiedener Zeit stammenden, teils nach früheren Äbten benannten Bautrakten umgeben, so der Alten und Neuen Dekanei, dem Adelmannbau, dem Wamboldbau, dem Gebsattelbau und anderen.

Am meisten wird aber – neben der Kirche – der Blick gefesselt von dem sechseckigen Bauwerk zwischen der Neuen Dekanei und der Kirche, das im Untergeschoß einen Treppendurchgang und im Obergeschoß eine Galerie enthält. Es ist die Erhardskapelle, die wahrscheinlich um die Mitte des 12. Jahrhunderts errichtet und ausgebaut wurde. Erhard war ein Heiliger, der vor allem im Elsaß, einem Schwerpunkt der staufischen Hausmacht, verehrt wurde. Die Bedeutung dieses in der abendländischen Baugeschichte einmaligen sechseckigen Bauwerks mit seiner Zwerggalerie ist nicht ganz geklärt. Urkunden über Entstehung und Zweck fehlen. War es eine Votivkapelle, ein Reliquienhaus oder ein Baptisterium? Es wird angenommen, daß die Kapelle ein Geschenk des Stauferkönigs Konrad III. war, der nach seinem Sieg über die Welfen bei Weinsberg das Weihnachtsfest 1140 auf der Comburg Verbrachte. Vielleicht hat der erste Stauferkönig das Gebäude als eine Votivkapelle in Erfüllung eines uns unbekannten Gelübdes gestiftet. Die Erhardskapelle ist kein Bau aus einem Guß. Es muß mehrere Umbauphasen gegeben haben, auch wurden die Schmuckdekorationen nachträglich angebracht. Der heutige Aufgang zur Galerie ist erst im 18. Jahrhundert angefügt worden. Das innere der Kapelle enthält wertvolle mittelalterliche Wandmalereien, die erst in jüngster Zeit freigelegt worden sind.

Den Mittelpunkt der Comburg bildet die ursprünglich romanische Kirche, die nach 1700 weitgehend abgerissen wurde und durch Josef Greising als eine vor allem im Inneren barocke Kirche wieder entstanden ist. Sie enthält zwei weltbekannte mittelalterliche Kunstwerke; Bildausschnitt des RadleuchtersDeutschlands schönsten und besterhaltenen Radleuchter aus der Mitte des 12. Jahrhunderts mit einem Umfang von über fünfzehn Metern und das Antependium, also den Altarvorsatz. Beide Schöpfungen werden in der Kunstgeschichte als >>Spitzenwerke romanischer Goldschmiedekunst<< gerühmt. Der Radleuchter symbolisiert das himmlische Jerusalem mit seinen Türmen, das als Stadt des Lichtes aufstrahlt. 412 Figuren, vor allem Propheten und Heilige, bilden die ornamentalen Verzierungen.

Im Antependium erscheint Christus in der Mandorla. Ihm unaufdringlich zugeordnet und in leichter Bewegung werden die zwölf Apostel dargestellt. Seit seinem Bau war das Antependium mit wertvollen Edelsteinen besetzt. Eine Anekdote weiß zu berichten, daß König Friedrich, der ja zu Beginn des 19. Jahrhunderts die ihm neu zugeschlagenen Gebiete ziemlich hart und rücksichtslos behandelte, einige Edelsteine nach Stuttgart bringen ließ. Als König Karl bei seinem Besuch das Fehlen der Edelsteine bemerkte, soll der Mesner auf eine entsprechende Frage geantwortet haben:

>>Majestät, die hat seinerzeit Ihr Herr Großvater gestohlen.<< Beide Kunstwerke – der Radleuchter und das Antependium – sind wie vieles andere Abt Hartwig zu verdanken. Im früheren Kapitelsaal, in dem einst je ein Kapitel aus der heiligen Schrift verlesen wurde, erinnert ein steinernes Lesepult an ihn. Als das Kloster in ein Chorherrenstift umgewandelt wurde und man keinen Kapitelsaal mehr brauchte, wurden in ihm die Grabdenkmäler der Schenken von Limpurg neben der Schenkenkapelle aufgestellt. Durch viele Jahrhunderte hindurch ist die Comburg eine Burg des Glaubens geblieben.

 

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